Sachverhalt:
Der von der Kindesmutter getrennt lebende Kläger (Kindesvater) übte sein Umgangsrecht in der Weise aus, dass er seine im Juli 2011 geborene Tochter alle 14 Tage am Wochenende und unregelmäßig in den Ferien und an Feiertagen betreute. Er bewohnte eine 70 qm große Wohnung, seine Nettokaltmiete betrug 320 €, die Betriebskostenvorauszahlung 105 €, die Heizkosten 75 €. Der Beklagte, das Jobcenter Duisburg, wies ihn auf die Unangemessenheit seiner Kosten hin und bewilligte ALG II unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 404 € (6,58 Euro x 50 qm als Bruttokaltmiete zuzüglich 75 Euro Heizkosten).
Der Kindesvater beantragte, auch die Differenz in Höhe von 21 Euro zu übernehmen mit der Begründung, er müsse wegen der Ausübung des Umgangs zusätzlichen Wohnraum vorhalten. Das Jobcenter lehnte dies ab. Zusätzlicher Wohnraum könne nur berücksichtigt werden, wenn das Kind sich zeitlich mindestens zur Hälfte in der Wohnung aufhalte. Hiergegen richtete sich die Klage des Kindesvaters, die das Sozialgericht abgewiesen hat. Vor dem Landessozialgericht schlossen die Beteiligten einen Teilvergleich, im Übrigen ist die Berufung zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kindesvater sein Begehren weiter, dass die ihm tatsächlich entstandenen Kosten für seine Wohnung übernommen werden. Er rügt eine Verletzung des § 22 Abs 1 SGB II i. V. m. Art. 6 Abs 1, 2 GG. Denn zum grundgesetzlich geschützten Wesen des Umgangsrechts gehöre, dass das Kind in der Wohnung des umgangsberechtigten Elternteils über einen eigenen Bereich verfüge, damit es sich dort nicht lediglich zu Besuch fühle.
Zusammenfassung:
Die Revision hatte zwar Erfolg, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen.
Jedoch nicht aus dem Grund, dass dem Kindesvater in seiner konkreten Situation Recht gegeben wurde. Vielmehr fehlte es dem Bundessozialgericht (BSG) an Feststellungen des LSG auf abstrakter Ebene zur Bestimmung der Angemessenheit des Bedarfs für Unterkunft und Heizung. Solche seien zunächst zu treffen, um dann daran die konkreten Kosten zu messen bzw. ihre Angemessenheit zu beurteilen.
Insofern allgemein liest sich der Leitsatz zur Entscheidung:
„Bei Ausübung des Umgangsrechts ist der Bedarf für die Unterkunft weder regelhaft zu erhöhen noch kann bei einem Umgang im üblichen Umfang davon ausgegangen werden, dass kein weiterer Bedarf besteht.“
Es sei in jedem Einzelfall die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft zu bestimmen.
Ausgangspunkt sei dabei dieses Grundverständnis: „Das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art 6 Abs 2 Satz 1 GG, weil der Umgang mit dem Kind eine wesentliche Voraussetzung und Grundlage für die Ausübung des Elternrechts im Interesse des Kindes ist (ständige Rspr, vgl nur BVerfG vom 1.4.2008 - 1 BvR 1620/04 - BVerfGE 121, 69, 97). Insbesondere für das nicht mit dem Kind zusammenlebende Elternteil ist der Umgang mit seinem Kind eine maßgebliche Voraussetzung für einen persönlichen Kontakt, die ihm ermöglicht, eine nähere Beziehung zu seinem Kind aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, an seiner Entwicklung teilzuhaben und seiner Elternverantwortung nachkommen zu können (vgl BVerfG vom 1.4.2008 - 1 BvR 1620/04 - BVerfGE 121, 69, 94)“.
Somit erkennt das SGB grundsätzlich an, dass durch den Umgang ein besonderer Unterkunftsbedarf entstehen kann. „Seine Regelungen haben den Umgang zu ermöglichen, vermitteln aber keinen Anspruch auf optimale Umgangsbedingungen. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse bedarf es einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl bereits BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 14 im Hinblick auf wohnraumförderrechtliche Sonderbestimmungen für Alleinerziehende)“.
Folgende Kriterien können nach BSG je nach Einzelfall anzulegen sein:
- die konkrete Regelung des Umgangs
- Anzahl der zu betreuenden Kinder
- Häufigkeit und Zeitdauer des Umgangs
- Lebensalter und Lebenssituation des Kindes (Säugling, Kindergarten- oder Grundschulkind, Besuch einer weiterführenden Schule, Ausbildungsbesuch)
- Lebenssituation des Umgangsberechtigten (alleinstehend oder zusammenlebend mit einem neuen Partner und weiteren Kindern)
- Verhältnis zum Kind
- Verhältnis zwischen den getrennt lebenden Elternteilen
- die konkreten Wohnverhältnisse (Zuschnitt der Wohnung)
- Entfernung zwischen den elterlichen Wohnungen
Für den vorliegenden Fall kommt das BSG zu dem Ergebnis, dass ein zusätzlicher Wohnbedarf nicht bestehe und die Entscheidung des LSG, dass der an nur 2 Wochenenden im Monat stattfindende Umgang des alleinstehenden Kindesvaters mit seiner damals vierjährigen Tochter in einer maximal 50 qm großen Wohnung ermöglicht werde, ihn nicht seinen Rechten verletze.