Banner Aktuelles

Aktuelles

Daten und Fakten

Elternzeit für Großeltern


Stellungnahme vom 12. März 2008 zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG)


1. Familienpolitische Prioritäten

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verbessert werden. Diese Auffassung teilt der VAMV und nimmt daher gern Stellung. Allgemein lässt sich feststellen, dass sich der im Referentenentwurf wahrgenommene Optimierungsbedarf nicht mit dem deckt, was der VAMV als dringend verbesserungswürdig erachtet.

Das durchschnittliche Alter von Müttern in Deutschland bei der Geburt ihrer Kinder lag 2006 bei 30,1 Jahren - Tendenz steigend. Die Zahl der Geburten bei Müttern bis 18 Jahren lag 2005 bei knapp 10.000. Langfristig lässt sich dank Aufklärungsarbeit und sicherer Verhütung eine Abnahme der Geburten bei Minderjährigen verzeichnen. Der VAMV nimmt die besondere Situation minderjähriger Eltern sehr ernst, dennoch sollten die Bedürfnisse von Alleinerziehenden angesichts der zahlenmäßigen Verteilung nicht aus dem Blick geraten.

2. Zu den Normen im Einzelnen

§ 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG

Auch wenn nicht ganz nachvollziehbar ist, warum die Partnermonate offenbar geschlechtsspezifisch gelten sollen, scheint es einen Regelungsbedarf zu geben, den der VAMV an dieser Stelle befürwortet.

Eine weitere Änderung ist nach Auffassung des VAMV erforderlich: Die in Abs. 3 Satz 4 beschriebenen Voraussetzungen für Alleinerziehende  Elterngeld auch für die zwei zusätzlichen Partnermonate zu beziehen, sind an die alleinige elterliche Sorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht gebunden.

Im Sinne der gesellschaftlich erwünschten Beibehaltung oder Erklärung der gemeinsamen Sorge wäre es sachgerecht, diesen Passus durch eine den tatsächlichen Lebensbedingungen besser entsprechende Form zu ersetzen. Zumindest bei getrenntlebenden verheirateten oder geschiedenen Eltern ist  - wie in Fällen des durch übereinstimmende Erklärung herbeigeführten gemeinsamen Sorgerechts - per Gesetz die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts auch für die Zeit nach der Trennung der Eltern die Regel. Die Übertragung auch von Teilbereichen der elterlichen Sorge bedarf eines richterlichen Beschlusses. Angesichts der vielfältigen und vom Gesetzgeber auch gewollten Möglichkeiten, die konkrete Ausübung der elterlichen Sorge in Teilbereichen gerade ohne gerichtliche Regelung zu gestalten, sind Benachteiligungen Alleinerziehender mit formal gemeinsamem Sorgerecht vorprogrammiert. Mithin dürfte auch angesichts der Verfahrensdauer familienrechtlicher Verfahren im Falle des gemeinsamen Sorgerechts trotz gelebter Alleinalltagssorge und alleiniger Obhut eines Elternteils der Bezug des Elterngeldes für die sogenannten Partnermonate faktisch ausgeschlossen sein, während alleinsorgeberechtigte Alleinerziehende, bei welchen sich der andere Elternteil möglicherweise an der Betreuung des Kindes sogar stärker beteiligt, grundsätzlich diese in Anspruch nehmen können. Dies stellt aus der Sicht des VAMV einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar.

Daher sollten die Partnermonate auch Alleinerziehenden mit gemeinsamer Sorge zugänglich sein. Es wäre sinnvoll, den Abschnitt zu elterlichen Sorge zu streichen. Die neue Formulierung des § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG lautete wie folgt:

Elterngeld für 14 Monate steht einem Elternteil auch zu, wenn

1. der andere Elternteil weder mit ihm noch mit dem Kind in einer Wohnung lebt und

2. eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt.

§ 5 Abs. 1, § 7 Abs. 2 und 3 BEEG

Einer Flexibilisierung der Änderungsmöglichkeiten ohne Angabe von Gründen stimmt der VAMV zu.

§ 15 Abs. 1a BEEG (neu)

Auf den ersten Blick erscheint es sachgerecht, dass Eltern minderjähriger Mütter und Väter, die ein Enkelkind betreuen, auch Anspruch auf Elternzeit haben sollten. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es sich hier erneut um die Privatisierung von Betreuungsaufgaben handelt, die in erster Linie auf Kosten von Frauen erfolgen wird.

Wird von "Großelternzeit" gesprochen, sollte klar sein, dass es sich vorwiegend um eine "Großmütterzeit" handeln wird. Darüber hinaus muss betont werden, dass die Mütter minderjähriger Mütter in der Regel nicht im rentennahen Alter sind: setzt man ein durchschnittliches Geburtsalter der Großmütter voraus, sind diese zwischen 45 und 50 Jahre alt. Frauen, deren minderjähriges Kind Mutter wird, stehen selbst voll im Berufsleben. Es sollte für sie kein Anreiz geschaffen werden, dieses zu unterbrechen oder einzuschränken. Diese Frauen werden nach der Elternzeit für das eigene Kind und einer weiteren Elternzeit für das Enkelkind unaufholbare berufliche Nachteile erleiden. Es ist dann nicht mehr nur die potenzielle eigene Schwangerschaft, sondern zudem das Risiko der Schwangerschaft der eigenen Tochter, das zum Einstellungshindernis werden kann. Bezieht man die Option der Unterbrechung des Erwerbslebens für die Pflege pflegebedürftiger Eltern in die Überlegungen mit ein, wird deutlich, dass die Risiken der familiären Verantwortungsübernahme fast vollständig auf Frauen abgewälzt werden, was sich für diese beruflich und finanziell zunehmend negativ auswirken wird.

Doch auch für voll berufstätige Großväter ist es faktisch unmöglich, ihre Erwerbstätigkeit für die Betreuung von Enkelkindern zu unterbrechen. Die (Groß-)Elternzeit für Enkelkinder ist nicht mit der Elterngeld-Berechtigung verknüpft: ein beruflicher Ausstieg wird mit massiven finanziellen Einschränkungen verbunden sein.

Aus der Sicht minderjähriger Mütter ist es zudem womöglich gar nicht erwünscht, das Kind durch die eigene Mutter betreuen zu lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beschränkung auf die Großeltern als nicht sachgerecht.

Der VAMV schließt daraus, dass die Betreuung der Kinder minderjähriger Eltern nicht durch innerfamiliäre Verantwortungsverschiebung lösbar ist. Es wäre dennoch sinnvoll, individuelle Betreuungsbedürfnisse in verschiedenen Lebenslagen dadurch zu lösen, dass der Kreis der Elterngeld-Berechtigten nach § 1 Abs. 4 auf Vertrauenspersonen erweitert und hier die Ausnahme "minderjährig oder noch nicht 21 Jahre alt und sich in der allgemeinen Schulausbildung befindet" aufgenommen wird. Die Neufassung lautete dann wie folgt:

§ 1 Abs. 4 BEEG (Ergänzungen fett)

Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod der Eltern das Kind nicht betreuen oder ist ein Elternteil des Kindes minderjährig oder hat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet und besucht eine allgemein bildende oder berufliche Schule, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten, Ehegattinnen, Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen sowie auf Wunsch der Eltern nahe stehende Vertrauenspersonen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

3. Fazit
Die angestrebten Änderungen haben nach Ansicht des VAMV vorrangige Aspekte außer Acht gelassen. Die Begrenzung der Partnermonate auf Alleinerziehende mit alleiniger Sorge oder auf Inhaber des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts sind einem modernen Familienrecht nicht angemessen. Ebenso sollte der Problematik individueller Betreuung nicht durch Rückgriff auf altbekannte Lösungsmuster begegnet werden, sondern durch offensive Öffnung gegenüber der heutigen Vielfalt von Familien.