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Daten und Fakten

Sorgerecht: Kein schriftliches Schnellverfahren


Stellungnahme des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V. (VAMV) zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern (Drs. 17/11048)

Berlin, 23. November 2012. Mit seiner Entscheidung vom 21. Juli 2010 gab das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber den Auftrag, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die nicht mit der Mutter verheirateten Vätern auch ohne die Zustimmung der Mutter einen Zugang zur elterlichen Sorge ermöglicht. Diesen Auftrag will der Gesetzgeber mit dem vorliegenden Entwurf erfüllen.

Entscheidung für ein Antragsmodell richtig

Der VAMV begrüßt es, dass der Gesetzgeber grundsätzlich zu einer Antragslösung gefunden hat, die zur Begründung der gemeinsamen Sorge bei Uneinigkeit der Eltern einen Antrag des Vaters bei Gericht erfordert und bis zu dieser gerichtlichen Entscheidung die Alleinsorge der Mutter vorsieht. Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, dass Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern in sehr unterschiedliche Lebensverhältnisse geboren werden, denen ein Automatismus nicht gerecht werden kann; das hat auch der im Auftrag des BMJ erstellte Endbericht "Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern" gezeigt.  Zudem stellt eine Antragslösung die notwendige Rechtssicherheit und Handlungsfähigkeit eines Elternteils nach Geburt für das Kind her, nach § 1591 BGB ist das die Mutter.

Vereinfachtes Verfahren Rückschritt fürs Kindschaftsrecht

Der VAMV lehnt die verfahrensrechtlichen Änderungen ab. Insbesondere

  •  ein schriftliches Verfahren ohne Anhörung der Eltern und des Jugendamtes,
  • das Aufheben des Amtsermittlungsgrundsatzes,
  •  der Verzicht auf eine Einzelfallprüfung,
  • Rechtsfolgen, die aus einem Schweigen resultieren und auf Vermutungen basieren,
  • die Einführung eines gesetzlichen Leitbildes
  • sowie eine Frist zur Stellungnahme, die in den gesetzlichen Mutterschutz fällt

werden der hohen Bedeutung, die jeglicher Entscheidung zum Sorgerecht zukommt, nicht gerecht und stehen dem Geist des Kindschaftsrechts diametral entgegen. Denn der wesentliche und seit 1998 bewährte Grundsatz kindschaftsrechtlicher Verfahren, das Kindeswohl zum Entscheidungsmaßstab zu machen, wird aufgegeben und ist somit ein Rückschritt für das gesamte Kindschaftsrecht. Das vereinfachte Verfahren stellt nicht sicher, dass eine gerichtliche Entscheidung getroffen wird, die dem Wohl des Kindes entspricht. Eine positive Kindeswohlprüfung, eine fundierte Einzelfallentscheidung sind im regulären familienrechtlichen Verfahren unerlässlich. Mit § 155 FamFG besteht bereits die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens; es ist nicht ersichtlich, warum dieses nicht zur Anwendung kommen soll.

Verfahren muss Konfliktkonstellationen gerecht werden

Müssen Eltern vor Gericht klären, wer das Sorgerecht bekommt - die Mutter, der Vater oder beide -, sind Konflikte im Spiel. Ein gemeinsames Sorgerecht funktioniert jedoch nur dann gut, wenn die Eltern fähig sind, gemeinsam tragfähige Entscheidungen für das Kind zu treffen. Das setzt Kommunikation und Kooperation voraus. Gerade bei Streitfällen um das Sorgerecht ist deshalb zu prüfen, ob ein gemeinsam ausgeübtes Sorgerecht zum Wohle des Kindes wäre oder ob es besser ist, wenn es die Mutter oder der Vater allein ausübt. Das neue Leitbild, nach dem die gemeinsame Sorge das Beste ist, stößt bei diesen Konstellationen an seine Grenzen. Hier muss das Gericht den Einzelfall beleuchten und die Eltern persönlich anhören. Entscheidet das Gericht ausschließlich nach Aktenlage ohne die Eltern zu Gesicht zu bekommen, geht der Streit eher in die nächste Instanz, als dass er geschlichtet wird. Das neue Verfahren muss in der Praxis strittigen Konstellationen gerecht werden, das ist noch nicht der Fall.

Beim Sorgerecht muss das Wohl des Kindes Maßstab bleiben, nicht eine formale Aufteilung der Rechte am Kind. Der Gesetzgeber muss nachbessern, sonst verlieren bei der Reform gerade die Kinder, die in eine konflikthafte Elternbeziehung hineingeboren werden.

Die vollständige Stellungnahme steht unten als Download für Sie bereit.