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Daten und Fakten

Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes zum 1. Januar 2010


Stellungnahme vom 27. November 2009 zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz)

Wie schon in früheren Gesetzentwürfen zu familienspezifischen Änderungen im Einkommensteuerrecht wird auch im vorliegenden Entwurf eines Wachstumsbeschleunigungsgesetzes zunächst der Eindruck erweckt, mit der in Aussicht gestellten "steuerlichen Förderung und Entlastung der Familien mit Kindern" würden alle Familien gefördert, also auch Einelternfamilien, was nur sehr eingeschränkt zutrifft.

Der VAMV vertritt die Interessen von 2,6 Millionen Alleinerziehenden mit minderjährigen und volljährigen Kindern. Jede Kindergelderhöhung ging in der Vergangenheit und geht auch dieses Mal entweder ganz oder teilweise an den Alleinerziehenden vorbei. Einelternfamilien werden daher keine oder nur zum Teil Vorteile durch den vorliegenden Entwurf haben.

Das liegt zum einen an der großen Gruppe der Alleinerziehenden im SGB II-Bezug. Ihre Familien mit ca. 800.000 Kindern unter 15 Jahren, profitieren gar nicht von der Kindergelderhöhung, weil sie voll auf den Bedarf im SGB II angerechnet wird. Ca. 500.000 Kinder von Alleinerziehenden, die Unterhaltsvorschuss erhalten, haben ebenfalls nichts von der Erhöhung, weil das UVG einen Abzug in voller Höhe vorsieht.

Zum anderen ist die aus Sicht des VAMV systemwidrige Verknüpfung des Einkommensteuerrechts und des Unterhaltsrechts in Bezug auf die hälftige Anrechnung des Kindergelds auf den Kindesunterhalt Ursache dafür, dass Kindergelderhöhungen bei den Kindern von Alleinerziehenden nur zur Hälfte ankommen. Das gilt für immerhin 2 Millionen Kinder.

Gleichzeitig sind Kinder in Einelternfamilien die größte Gruppe in Armut – der Gesetzgeber entlastet mit dem vorliegenden Entwurf also gerade die Familien mit Kindern nicht oder nur in geringem Umfang, die diese Entlastung am dringendsten brauchen.

Die bei den finanziellen Auswirkungen genannten Minderausgaben beim Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 569 Millionen Euro jährlich verdeutlichen, dass es sich hier nur um eine Umschichtung von einer Kasse in die andere handelt: Mehr Geld aus der Kindergeldkasse, dafür entsprechend weniger Geld aus der Sozialkasse.

Der VAMV vermisst einen systemübergreifenden Vorschlag, der die auch der Bundesregierung seit Jahren bekannte Problematik der Verrechnung von Kindergeld im Unterhaltsrecht aufbricht und den Einelternfamilien, in denen die Kinder leben, die gleichen Anteile an Erhöhungen garantiert wie den anderen Familien.

Zu den inhaltlichen Punkten im Einzelnen nimmt der VAMV wie folgt Stellung:

1. Kinderfreibetrag
Der Entwurf sieht eine Erhöhung des Kinderfreibetrages um 984 Euro auf 7008 Euro vor.

Ein Großteil der Alleinerziehenden hat ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 900 und 1300 Euro. Nur 0,9 Prozent der Alleinerziehenden erreichen ein jährliches Einkommen, bei dem der Kinderfreibetrag zur Anrechnung kommt. Insoweit profitieren Einelternfamilien von der Erhöhung des Kinderfreibetrags nur marginal.

Grundsätzlich bewertet der VAMV die Berechnung des Existenzminimums für Kinder als unzureichend bzw. als nicht am Bedarf von Kindern orientiert und hält seine Verankerung im Einkommensteuerrecht über einen Freibetrag, der sich progressionsabhängig auswirkt, nicht für zwingend verfassungsrechtlich geboten.

(Anteil der Alleinerziehenden mit Nettoeinkommen über 4.500 Euro im Jahr 2008: 0,9 Prozent Quelle: Mikrozensus 2008)

2. Kindergeld
Der Entwurf sieht eine Erhöhung des Kindergeldes um 20 Euro vor, für das erste und zweite Kind von 164 Euro auf 184 Euro, für dritte Kinder von 170 Euro auf 190 Euro sowie für vierte und weitere Kinder von 195 Euro auf 215 Euro monatlich. Das Kindergeld erreicht damit weiterhin nicht die gebotene Höhe, die eine maximale Entlastung durch den Kinderfreibetrag ergibt.

In seinem Arbeitsbericht "Zukunft für Familie" schreibt das Kompetenzzentrum des BFSJ dem Kindergeld eine besonders hohe Armut vermeidende Wirkung für Alleinerziehende zu.

Für 500.000 Kinder von Alleinerziehenden, die Unterhaltsvorschuss beziehen, trifft das nicht zu. Durch die Erhöhung des Kindergeldes erhalten sie keinen Euro mehr, denn das Kindergeld wird voll auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet. Die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses resultiert allein aus der Anhebung des Mindestunterhaltes und seiner Ankoppelung an das Existenzminimum. Der finanzielle Vorteil, den die Erhöhung des Freibetrags für den Mindestunterhalt und damit für die Höhe des Unterhaltsvorschusses mit sich bringt, wird durch die volle Anrechnung des erhöhten Kindergeldes wieder zunichte gemacht.

(Zahl der Kinder im Unterhaltsvorschuss: gut 500.000; Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion die Linke BT-Drs: 16/279 vom 15.12.2005, Angabe des BM FSFJ im Jahr 2006: 498.384)

Auch für 800.000 Kinder von Alleinerziehenden im SGB II-Bezug trifft die Armut vermeidende Wirkung nicht zu, denn auch auf die Sozialleistungen wird das Kindergeld voll angerechnet.

(Kinder von Alleinerziehenden im SGB II: schätzungsweise 44,5 Prozent, daher etwa 800.000. Angaben des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe 2008)
 
Alleinerziehende, deren Kinder Unterhalt erhalten, erreicht die Kindergelderhöhung nur zur Hälfte. Für diese fast 2 Millionen Kinder gibt es ab 2010 nur zehn Euro mehr Kindergeld, da das Kindergeld zur Hälfte bei allen Unterhaltszahlungen ab dem Mindestunterhalt abgezogen wird und somit beim Unterhaltspflichtigen verbleibt.


(Kinder, die unterhaltsberechtigt sind: insgesamt gibt es 2,1 Millionen minderjährige Kinder in Einelternfamilien, davon schätzungsweise ein kleiner Anteil Halbwaisen, der Rest ist unterhaltsberechtigt, fast zwei Millionen Kinder, Mikrozensus 2007)

Der VAMV lehnt außerdem die Staffelung des Kindergeldes nach der Kinderzahl ab. Jedes Kind hat, unabhängig von seiner Stellung in der familiären Geburtenfolge, den gleichen Anspruch auf Entwicklung und Förderung. Die demographische Implizierung dieser Staffelung ist zudem höchst fragwürdig und sollte dringend überdacht werden. Wenn das Kindergeld eine Existenz sichernde Höhe erreichen würde, wie beispielsweise durch eine Kindergrundsicherung, würde sich die Frage nach der Staffelung des Kindergeldes nicht mehr stellen. Wer versucht, die Staffelung des Kindergeldes nach Kinderzahl als Armut vermeidendes Instrument zu begründen, müsste demnach zunächst das Kindergeld für Alleinerziehende erhöhen. Dies verdeutlicht, dass eine Einteilung des Kindergeldes nach Familienform unangemessen und diskriminierend in jede Richtung wirkt.

Der VAMV fordert eine Ausnahmeregelung, die die Anrechnung der aktuellen Kindergelderhöhung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII ausschließt. Ebenso muss die hälftige Anrechnung der aktuellen Kindergelderhöhung auf den Kindesunterhalt ausgeschlossen werden.

Die Entlastung des Unterhaltsverpflichteten geschähe nach Ansicht des VAMV besser durch die steuerliche Absetzbarkeit des Kindesunterhalts. Die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt könnte dadurch beendet und der Unterhaltsverpflichtete entlastet werden, ohne dass die betroffenen Kinder die Hälfte des Kindergeldes verlieren.

Grundsätzlich sollte die Bundesregierung erwägen, mit einer Kindergrundsicherung eine Entlastung von Familien vorzunehmen, die nicht im Einkommensteuerrecht angesiedelt ist. Die Unterschiede der Entlastungshöhe pro Kind aufgrund der Steuerprogression lässt sich nicht mit der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts vereinbaren, jedem Kind ungeachtet der Familienform, in der es lebt und unabhängig, wie hoch das Einkommen der Familie ist, in der es lebt, den gleichen Anspruch auf eine Existenz sichernde Leistung zuzugestehen.

Fazit
Der VAMV ist der Ansicht, dass ein Gesetz, das von der „Förderung und steuerlichen Entlastung von Familien mit Kindern“ spricht, alle Familienformen und damit auch die Einelternfamilie fördern sollte. Es darf nicht so ausgestaltet sein, dass gerade die Familien, die finanzielle Entlastung am meisten benötigen, gar nichts oder weniger als andere Familien bekommen. Kinder von Alleinerziehenden sind die größte von Armut betroffene Gruppe und leben durchschnittlich am längsten in Armut. Deshalb fordert der VAMV, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Ausnahmeregelungen enthält, die gewährleisten, dass wenigstens die aktuelle Kindergelderhöhung auch bei allen Kindern von Alleinerziehenden in vollem Umfang ankommt.