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Daten und Fakten

Eckpunktepapier zum Mindestlohn


Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung vom 25. Mai 2008

Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gewachsen. Heute gibt es mindestens 8 Millionen Niedriglohnbezieher/innen, davon arbeiten zwischen 3 und 4 Millionen in Vollzeit. Mehr als 70 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor sind Frauen. Rund 1,3 Millionen Beschäftigte beziehen ergänzend zu ihrem Erwerbseinkommen Arbeitslosengeld II (ALG II).  Der Anteil in Vollzeit beschäftigter Personen, die zu Löhnen unterhalb der Niedriglohnschwelle arbeiten, ist von 15,5 Prozent im Jahr 1995 auf 18,6 Prozent im Jahr 2003 angewachsen - Tendenz steigend. Der durchschnittliche Stundenlohn in Vollzeit Beschäftigter, die ALG II beziehen, liegt bei etwa 7,60 Euro, 55 Prozent aus dieser Gruppe verdienen weniger. 

Die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre hat das rasante Wachstum des Niedriglohnbereichs durch die Förderung von Kombilohnmodellen (Mini-Job, Midi-Job) beschleunigt. Von 2001 bis 2005 ist die Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse um 1,6 Millionen gesunken - im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Minijobs um 2,2 Millionen gestiegen. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wurde im großen Stil durch Minijobs ersetzt. Die Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien von Beschäftigung bei Arbeitslosigkeit hat das Anwachsen des Niedriglohnsektors zusätzlich befördert. Dies wirkte sich in erster Linie auf Branchen aus, in denen Frauen arbeiten: Verkäuferinnen, Friseurinnen, Beschäftigte im Hotel- und Gaststättengewerbe. Selbst tariflich vereinbarte Löhne liegen inzwischen unter der Armutsgrenze.

Alleinerziehende sind von den negativen Auswirkungen der Niedriglöhne besonders betroffen, weil sie allein für die Existenzsicherung ihrer Familie verantwortlich sind. Zu einem überwiegenden Anteil sind Alleinerziehende weiblich und überproportional in den Berufen beschäftigt, die von Niedriglöhnen betroffen sind.

Ein unkontrolliertes Absenken der Löhne nach unten birgt die Gefahr, dass das System der Grundsicherung zunehmend den Charakter eines Kombilohns entwickelt.  Schon heute rechnen Unternehmen bei ihrer Lohngestaltung damit, dass die Arbeitnehmer/innen ergänzende Leistungen nach dem SGB II beziehen. Damit finanzieren Steuerzahler/innen das Lohndumping der Unternehmen.

Dies führt zu einer Aushöhlung der Sozialversicherung, zu einem erhöhten Risiko der Altersarmut und zu inakzeptabler sozialer Ungleichheit - insbesondere für Arbeitnehmer/innen, die trotz Erwerbstätigkeit in Armut leben müssen.

  • Der VAMV fordert einen gesetzlichen Mindestlohn, der eine angemessene Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Dieser Mindestlohn muss regelmässig an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden.
  • Der VAMV unterstützt die Forderung der Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände nach einem Mindestlohn, die diskutierte Höhe von 7,50 Euro ist jedoch zu gering.

Der Mindestlohn kann nicht alle arbeitsmarktpolitischen Probleme lösen, er ist aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine sozial gerechtere Gesellschaft. Dieser Schritt bedarf der Ergänzung durch weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

Die Bedürfnisse von Beschäftigten mit Kindern müssen besser integriert werden. Dazu gehört eine kostenfreie qualitativ hochwertige flächendeckende Kinderbetreuung. Unabhängig vom Mindestlohn ist die geschlechterpolitische Schieflage am Arbeitsmarkt, die sich durch alle Hierarchieebenen zieht, zu beseitigen. Frauen verdienen immer noch etwa 22 Prozent weniger als Männer. Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sowie die überwiegende Zuweisung von Reproduktionsarbeit an Frauen, sei dies in bezahlter oder unbezahlter Arbeit und die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt über den tertiären Sektor verschärft die Segregation des Arbeitsmarktes in Frauen- und Männerarbeit. Erstere wird nach wie vor flächendeckend schlechter entlohnt und genießt ein geringeres gesellschaftliches Ansehen.

Darüber hinaus sind weitere Konzepte für eine familiengerechte Gesellschaft unerlässlich. Die Kindergrundsicherung des VAMV in Höhe von 450 Euro bildet ein angrenzendes Modell der Absicherung von Kindern gegen Armut. Eine gerechtere Besteuerung wie die Individualbesteuerung muss den Mindestlohn ergänzen.